Auszüge aus dem Förderantrag an die Stiftung von der Initiatorin der Ausstellung, Frau Dr. Inga Jürgensen, Berlin:
ZIELE DER AUSSTELLUNG
"Ziel der Ausstellung ist, eigenständige schöpferische Werke von Menschen mit Demenz zu zeigen. Dabei stehen Werke im Vordergrund, die Menschen während ihrer Demenz aus eigenem Antrieb und ohne sichtbare Vorbilder geschaffen haben. Die Ausstellung soll zeigen, welches Potenzial darin liegen kann, wenn zwar Verstand und Erinnerungen allmählich schwinden, gleichzeitig aber Gefühl und Intuition bleiben oder sich sogar verstärken. Auslöser und Motivation, eine Ausstellung zu konzipieren, war die Reaktion der Pastorin Corinna
Haas in von der Christuskirche Schulau beim Blick auf Fotos von Stilleben eines Gemeindemitglieds im Stadium seiner fortgeschrittenen Demenz: „Sie müssen eine Kunstausstellung daraus machen!“, schrieb sie in einer E-mail. Einige dieser Fotos sind in diesem Antrag abgebildet. Der Urheber Volker Jürgensen (1927-2023) funktionierte Gegenstände um und hatte einen präzisen Blick für Formen. Ein anderes Beispiel von Kunstwerken, die während einer Demenz entstanden, sind die Objekte von Matthias Kube (1964-2023). Der Arzt, begann während seiner früh eintretenden AlzheimerErkrankung, aus Baumwurzeln wunderschöne Formen zu schnitzen. (Kubes Ehefrau und Sohn,
Kathrin und Oskar Seyfert, erwähnten die Werke in ihren Büchern „Lückenleben“ und „Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben“.) Wieder andere Betroffene malen plötzlich ihr durcheinander gewirbeltes Seelenleben mit bunten Ölfarben auf Papier. Einige unter ihnen entwickeln dabei einen einzigartigen Stil. Vielleicht verstehen nicht alle diese Künstler ihre Werke als Kunst. Aber sie drücken sich durch ihre Objekte und Bilder aus. Damit lassen sie uns staunen und bringen uns zum Nachdenken. So fördern diese Werke die Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Demenz. Die Urheber erfahren mit der Ausstellung Wertschätzung. Demenz findet Aufmerksamkeit in der Mitte der Gesellschaft. Die Ausstellung kann Angehörige und Betreuende ermutigen, ihre Schützlinge in manch ungewöhnlichen Handlungen zu bestärken, auch wenn diese uns mit unserem herkömmlichen Erfahrungshorizont und Ordnungssinn irritieren."
THEMA UND KÜNSTLERISCHE AUSRICHTUNG DER AUSSTELLUNG
"Der Arbeitstitel „Die Ordnung der Dinge“ zitiert den deutschen Titel von Michel Foucaults Buch, das er selbst eine „Archäologie der Humanwissenschaften“ nannte. Der Philosoph sieht bei den sich im Laufe der Jahrhunderte ändernden Denk- und Ordnungsmustern keinen Erkenntnisfortschritt. Er kritisiert, dass der Mensch sich mit seinem Bewusstsein als Maß aller Dinge wähnt. Dabei beruhten die Umbrüche in der gesellschaftlichen Organisation stets auf überindividuellen, unbewussten Denkmustern. Sich selbst und den eigenen Verstand nicht ganz so wichtig nehmen, vielleicht lässt sich das aus Foucaults Thesen lernen. Die Dinge neu ordnen, wenn der Verstand nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Wie das gehen kann, zeigt die Ausstellung. Traditionelle Denkweisen über Bord werfen und den Blick schärfen für das, was buchstäblich vor uns liegt. Menschen mit Demenz können uns mit ihrer unverstellten Perspektive dabei helfen. Um Menschen mit Demenz sinnlich über die Gefühlsebene zu erreichen, ist geplant, einen Aktionstisch aufzubauen. Dort kann man große Dominosteine oder Farbkarten nach eigenem Empfinden zu Bildern, Reihen oder Mustern anordnen. Und vielleicht steht auch eine Schale Erdnussflips bereit, oder es gibt ein
Stück Kuchen zu essen, um beim gemeinsamen Schmausen miteinander ins Gespräch zu kommen."
Link: https://staging-f.ingajuergensen.com/galerie/